Unverschuldeter Unfall - Unfallgegner muss Ihren Rechtsanwalt bezahlen
Bei einem unverschuldeten Unfall muss die Versicherung Ihres Unfallgegners auch einen von Ihnen beauftragten Rechtsanwalt bezahlen.
(ami) Wer schuldlos einen Unfall hatte, braucht viel Zeit und gute Nerven, um Recht zu bekommen. Oftmals versucht die gegnerische Versicherung, Ihre Kosten in Frage zu stellen und bei den Erstattungen zu tricksen.
Guter Rat muss hier nicht teuer sein - wussten Sie schon: Bei einem unverschuldeten Unfall muss die Versicherung Ihres Unfallgegners auch einen von Ihnen beauftragten Rechtsanwalt bezahlen.
Auf die Höhe des Schadens kommt es dabei nicht an. Die gegnerische Versicherung kann sich nicht wegen Geringfügigkeit vor den Anwaltskosten drücken.
Nach einem Unfall versuchen die Versicherer des Unfallverursachers möglichst schnell direkt an die Geschädigten heranzukommen und selbst zu kontaktieren. Ziel: Die Opfer sollen sich gar nicht erst über Ihre Rechte und das, was ihnen zusteht,
informieren!
Die gegnerische Versicherung ist nicht Ihr Partner!
Es gilt zu beachten, dass der gegnerische Versicherer nicht der Partner des Geschädigten, schon gar nicht Helfer ist, sondern die maximal mögliche Ersparnis für sich selbst herausholen will und dies buchstäblich auf Kosten des Unfallgeschädigten.
Was mehr als ein guter Rat ist: Das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main meinte in einem Fall, es kann „geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln.“ (Az. 22 U 171/13):
Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u.ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln. Das gilt nur dann nicht, wenn es sich bei dem Geschädigten um ein weltweit agieren-des Mietwagenunternehmen (AG Frankfurt am Main 13.2.2007 - 31 C 2956/06 - NZV 07, 426) oder Leasingunternehmen eines großen Autoherstellers handelt (AG Darmstadt 4.7.07 - 300 C159/07 -).
Eine weitere wichtige Regel für Unfallgeschädigte: Akzeptieren Sie nie den Gutachter des gegnerischen Versicherers! Auch dieser ist nur daran interessiert, den Schaden zum Vorteil seines Auftraggebers herunter zu kürzen. Dringend empfehlenswert ist deshalb auch die Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen!
Beauftragen Sie deshalb selber einen Sachverständigen – außer bei Bagatellen unter 1000 Euro. Als Geschädigter dürfen Sie ein eigenes Gutachten auf Kosten des Versicherers in Auftrag geben. Nur bei einer Teilschuld sind Sie verpflichtet, einen Anteil aus eigener Tasche zu zahlen.
Der erste Wege nach einem Verkehrsunfall sollte der zum Rechtsanwalt sein!
Ein jeder im Verkehrsrecht versierter Rechtsanwalt*Rechtsanwältin wird Ihnen sagen, wann es ratsam ist ein Sachverständigengutachten zu beauftragen und wann nicht.
Zudem wird der Rechtsanwalt Ihnen einen seriösen, regionalen und erfahrenen Sachverständigen benennen, weshalb der erste Weg nach einem Verkehrsunfall, der zu
dem Rechtsanwalt*Rechtsanwältin Ihres Vertrauens sein sollte!
Nur ein im Verkehrsrecht versierter Rechtsanwalt verhandelt mit der gegnerischen Versicherung auf Augenhöhe und kennt sämtliche Ihnen zustehenden Schadenpositionen
neben dem eigentlichen Schaden am Fahrzeug (so z.B. Nutzungsausfall, Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden etc.) und hat auch bei Kürzungen durch die Versicherung die richtigen Antworten parat.
Die Kürzungen durch die Versicherungen erfolgen auch systematisch oft nach dem selben Prinzip. Reicht der Geschädigte ein Gutachten ein und möchte fiktiv, also auf Basis des privaten Sachverständigengutachtens abrechnen, geben die Versicherer es an externe Firmen weiter, die es durch eine Spezialsoftware laufen lassen. Die spuckt dann
zahlreiche Kürzungen aus, oftmals ohne jede Rechtsgrundlage.
Betroffen hiervon sind insbesondere die Lohnkosten, die Verbringungskosten, die UPEAufschläge und seit einigen Jahren auch die Kosten für die Beilackierung.
Dem ist der Bundesgerichtshof im nachfolgend dargestellten Urteil entschieden entgegen getreten (BGH, VI ZR 396/18 Urteil vom 17.09.2019). In der Revision wurde durch den
BGH ein Urteil des Landgerichts Aachen aufgehoben, bei dem das LG in der Berufung eines korrekten AG-Urteils die Beilackierung – zu Gunsten des Versicheres – versagt
hatte.
Argumentiert wurde bisher seitens der Versicherungswirtschaft, dass eine mögliche Lackangleichung nur vom Lackierer im Rahmen der konkret durchgeführten Reparatur
festgestellt werden könne.
Wie das mit der Lackierung am Ende in der Praxis durchgeführt werden soll, blieb dabei stets offen. Denn nach Fertigstellung einer Lackierung auf Kante ist es ja bereits zu spät für eine Lackangleichung. Deshalb wird von seriösen Lackier-Fachbetrieben bei der Lackierung von Metallic- oder Effektlacken stets gleich eine Beilackierung vorgenommen. Ansonsten kommt es in der Regel bei 9 von 10 Fällen zu optischen Unterschieden.
Die Revision war in vorgezeichneter Sache von Erfolg gekrönt. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der streitigen Beilackierungskosten nicht verneint werden, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO.
Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, der es nach einem Sachschaden selbst in die Hand nimmt, den früheren Zustand herzustellen,
berechtigt, vom Schädiger den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Dabei beschränkt sich das Ziel der Restitution nicht auf eine (Wieder-) Herstellung der
beschädigten Sache; es besteht in umfassenderer Weise gemäß § 249 Abs. 1 BGB darin, den Zustand herzustellen, der, wirtschaftlich gesehen, der ohne das Schadensereignis
bestehenden Lage entspricht (st.Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 5. Februar 2013 – VI ZR 363/11, NJW 2013, 1151 Rn. 11 mwN).
Der Geschädigte ist aufgrund seiner nach anerkannten schadensrechtlichen Grundsätzen bestehenden Dispositionsfreiheit in der Verwendung der Mittel frei, die er vom Schädiger zum Schadensausgleich beanspruchen kann. Er ist nicht dazu verpflichtet, sein Fahrzeugreparieren zu lassen (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 23. Mai 2017 – VI ZR 9/17, NJW 2017, 2401 Rn. 6 ff. mwN), sondern kann auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktiv abrechnen. Die ngaben des Sachverständigen zur Höhe der voraussichtlich anfallenden Reparaturkosten bestimmen nicht verbindlich den Geldbetrag, der im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich ist. Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufrieden gibt (Senatsurteil vom 3. Dezember 2013 – VI ZR 24/13, NJW 2014, 535 Rn. 10).
Der Kläger hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass sein Fahrzeug einen Farbton aufweise, der die Einlackierung der angrenzenden Karosserieteile technisch zwingend erfordere. Das hat auch der von ihm beauftragte Sachverständige bestätigt.
Mithin waren die Beilackierungskosten auch bei fiktiver Abrechnung (Abrechnung auf Gutachtenbasis) zu erstatten.
Ein Fall mehr, der klar aufzeigt, dass man als Unfallgeschädigter von vornherein einen im Verkehrsrecht versierten Rechtsanwalt*Rechtsanwältin beauftragen sollte. Den guter Rat ist hier alles andere als teuer, sondern vermeidet vielmehr teure Abzüge durch die gegnerische Versicherung.